Ukraine: Das Atomrisiko bleibt trotzdem wie es war

Ukraine und Risiko eines nuklearen Anschlags
Ändert sich das Risiko eines Nuklearanschlags in der Ukraine? | © Cristian Newman

Ukraine und Risiko eines nuklearen Anschlags: In einer Reihe von Telefongesprächen mit Amtskollegen von NATO-Staaten hat der russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu davor gewarnt, dass die Ukraine radioaktive Bomben einsetzen wolle. Wie realitätsfremd sie auch sind, haben die Bemerkungen Schoigus den Staub um das Atomrisiko wieder aufgewirbelt. Eine kurze Einordnung.


Die Ukraine ist nicht in der Lage, einen Atomangriff zu verüben: Sie hat ihr Atomarsenal aufgegeben (Budapester Memorandum, 1994). Manche unter ukrainischen und nicht ukrainischen Beobachtern bereuen heute jenen Schritt. Liest und hört man die Zeitzeugen, so erfährt man, dass die Ukraine damals keine andere Wahl hatte.

Besonders ausführlich hat sich darüber der erste Präsident der unabhängigen Ukraine Leonid Krawtschuk geäussert, der den Verzichtsvertrag aushandelte (gezeichnet wurde das Memorandum von seinem Nachfolger Kutschma). Die Ukraine hatte keine Möglichkeit, wirtschaftlich und technologisch den ihr zugeteilten Anteil an sowjetischen Atomwaffen in Stand zu halten.

Ukraine und Risiko eines nuklearen Anschlags: bewegt sich was?

Luca Lovisolo zu Alexei Nawalny
Eine Kurzreferenz zum russischen Aktivisten Alexei Nawalny – von Luca Lovisolo

Das einzige Land, die sie dabei hätte betreuen können, war Russland selbst. Das hätte die Unabhängigkeit der Ukraine ernsthaft in Frage gestellt und das Risiko eines nuklearen Anschlags nicht gemindert: Wie unabhängig kann ein Staat sein, der für die Wartung seines Atomwaffenbestands auf Fremde angewiesen ist? Wie sähe der Krieg von heute aus, wenn die Ukraine nukleare Sprengköpfe beherbergte, die von russischer Technik abhängig sind?

Die Ukraine könnte kleinere Sprengkörper einsetzen – diejenigen, die als «schmutzige Waffen» bezeichnet werden. Auf einem anerkannten Waffenmarkt könnte die Ukraine solche Geräte unmöglich beziehen und dabei unbeachtet bleiben. Ob Terroristengruppen oder Schurkenstaaten diese Waffen anbieten, kann nicht bestätigt werden. Kleinere Bomben dieser Art lassen sich auch relativ einfach basteln, aber ein ohnehin begrenzter Atomangriff, wie auch immer verübt, wäre für die Ukraine eine politische Katastrophe mit einem geringen militärischen Vorteil. Die lang und klug erkämpfte westliche Unterstützung fiele sofort aus.

Nun zu Russland. Russland ist eine Atommacht: mit einem Atomrisiko ist jederzeit zu rechnen. Obschon die Strategie Russlands im Allgemeinen klar ist, was Putin und seine Schergen konkret über die nukleare Frage meinen, weiss niemand.

Dass Moskau Atomwaffen einsetzt, bleibt nichtsdestotrotz unwahrscheinlich. Neben den vielen kritischen Punkten technischer und militärischer Natur, erzielt Putin immer noch bessere Gewinne, wenn er das nukleare Argument als Abschreckung angesichts der westlichen öffentlichen Meinung vorgaukelt und nicht in die Praxis umsetzt.

Das mehrfache Telefonieren von Schoigu scheint eben den Zweck zu haben, die Eskalierung des nuklearen Risikos in der Ukraine hin und wieder mal in die Schlagzeilen zu schieben, mit der Absicht, die Front der Westmächte zu brechen und ein schnelles Kriegsende in Form einer Kapitulation der Ukraine unter psychologischem Druck zu erzwingen.

Teilen Sie diesen Artikel:

Luca Lovisolo

Ich arbeite als freiberuflicher Forscher für Recht und internationale Beziehungen, sowie im Fachbereich der juristischen Sprachübersetzung. Schwerpunkt meiner Arbeit ist Mittel- und Osteuropa.

Kommentare

    Lascia un commento

    Il tuo indirizzo email non sarà pubblicato. I campi obbligatori sono contrassegnati *

    Luca Lovisolo

    Lavoro come ricercatore indipendente in diritto e relazioni internazionali. Con le mie analisi e i miei corsi accompagno a comprendere l'attualità globale chi vive e lavora in contesti internazionali.

    Tengo corsi di traduzione giuridica rivolti a chi traduce, da o verso la lingua italiana, i testi legali utilizzati nelle relazioni internazionali fra persone, imprese e organi di giustizia.

    Iscriversi al notiziario

    Gli iscritti al notiziario ricevono informazione sull'uscita di nuovi articoli e sulle attività dei corsi. Il notiziario esce ogni due settimane circa.

    Se desidera ricevere il notiziario nella versione per traduttori, non dimentichi di barrare la casella rispettiva, prima di inviare l'iscrizione.
    Archomai – centro studi e formazione di Luca Lovisolo | Sede legale: I-28021 Borgomanero (Italia) | IT 02612440038 | Condizioni di vendita | * Protezione dei datiImpressum
    Copyright © 2021 Luca Lovisolo