Biden besucht die Ukraine: Eine Einordnung der Reise des US-Präsidenten nach Kiew in der Perspektive der Ereignisse der letzten Tage. Die Münchener Sicherheitskonferenz ist gestern beendet. Gegen jede propagandistische Beschwichtigung hat sich der Westen bei der Unterstützung der Ukraine so geschlossen wie noch nie gezeigt. So klare Worte zu Russland hatte man schon lange nicht mehr gehört.
Ohne Umschweife hat Kamala Harris Wladimir Putin als Kriegsverbrecher verurteilt; Präsident Macron hat jede Möglichkeit des Dialogs mit Russland eindeutig ausgeschlossen; der neue deutsche Verteidigungsminister hat unmissverständlich gesagt, noch deutlicher als der deutsche Bundeskanzler es seinerseits pflegt, dass die Ukraine den Krieg gewinnen muss – Früher hatte man aus Berlin immer nur gehört, dass die Ukraine nicht verlieren darf, der Unterschied ist nicht unwichtig. Die höchsten Vertreter von EU und NATO haben sich dementsprechend geäussert.
Der Streit zwischen China und den USA über den Spionage-Ballon ist in München weitergegangen, ja mehr noch: Der US-Aussenminister Blinken hat von Gerüchten gesprochen, China sei bereit, Waffen an Russland zu liefern.
Biden besucht die Ukraine, ein Friedensplan auf Chinesisch?
Der chinesische Beauftragte Wang Yi hat einen Friedensplan für die Ukraine angekündigt, dessen Inhalt er nicht erschliessen wollte. Er wird in diesen Tagen in Moskau erwartet. Russland war zum ersten Mal bei der Sicherheitskonferenz nicht vertreten.
In dieser Hinsicht ist die Reise Bidens nach Kiew ein Hebel einer Maschinerie, deren Glieder sich schnell zu einem neuen Gefüge einordnen. Der Ukraine-Krieg ist ein Wendepunkt hin zu einer neuen Weltordnung. Russland stellt die Grundwerte des Westens in Frage: Das ist keine abstrakte Feststellung, obwohl die westliche öffentliche Meinung noch nicht völlig dessen bewusst ist.
Auf dem Spiel steht das Gesellschaftsmodell, das unsere Generation den nächsten vererben wird. Lassen wir Russland freien Lauf, ist es mit der Wertegrundlage des Westens langfristig aus: Diesen Grundsatz haben die wichtigsten Regierungspersonen des Westens nun mal begriffen, was noch vor wenigen Monaten nicht so selbstverständlich erschien.
Biden besucht heute die Ukraine und morgen Polen. Beide Auftritte krönen das in München abgelegte Bekenntnis des Westens zu den eigenen Werten, in einer Stunde, in der sich über Europa Sturmwolken aufziehen.
Putin wollte den Krieg gegen den Westen. Er hoffte, den Westen zu spalten und nach dem Grundsatz divide et impera über Europa zu herrschen. Doch es kam anders. Die russlandfreundliche Propaganda wird den Besuch Bidens in Kiew als Beweis auslegen, dass die Ukraine als Handlanger der USA einen Stellvertreterkrieg gegen Russland führt. Der Vorwurf ist nach wie vor belanglos.
Gefährdet sind nicht Vorherrschaftsansprüche, sondern das Recht der Ukrainer, so zu sein, wie sie sein wollen, sowie unser Recht, unseren Kindern die freie Welt zu überliefern, in der wir geboren wurden, die aus dem Wiederaufbau nach dem II. Weltkrieg entstand.