Krim-Brücke: Die teilweise Zerstörung eines symbolträchtigen Bauwerks. Das für die Welt schon lange Voraussehbare und doch für die russischen Geheimdienste anscheinend Undenkbare ist geschehen. Das Ausfallen der Brücke wird die Versorgung der Truppen auf der Krim nicht vollständig, aber doch beachtlich verhindern. Im Bereich der Explosion ist eine Fahrbahn kollabiert.
Just hatte Putin einen ohnehin nicht bedenkenfreien Geburtstag hinter sich, als das für die Welt schon lange Voraussehbare und doch für seine Geheimdienste anscheinend Undenkbare geschah: Die Krim-Brücke wurde gesprengt. Über den Tathergang wissen wir noch zu wenig. Im Bereich der Explosion ist eine Fahrbahn kollabiert, andere Teile der Brücke sind beschädigt (hier da >Video der Explosion).
Das russische Transportministerium meldet, der Eisenbahnverkehr werde schon heute ab 20:00 Uhr wiederaufgenommen; die Reparaturarbeiten an den übrigen Brückenabschnitten sollen ebenfalls heute anfangen. Inwiefern und zu welchem Zeitpunkt die Brücke wieder funktionsfähig sein wird, vermag niemand zu prophezeien. Jedes lange Verarbeiten der Ereignisse fiele zum jetzigen Zeitpunkt allzu leicht ins Phantasieren. Nur einige kurze Bemerkungen.
Krim-Brücke: Zerstörung eines aussenpolitischen Stützpunktes
Das Ausfallen der Brücke wird die Versorgung der Krim und der dort stationierten Truppen nicht vollständig, aber doch beachtlich verhindern. Russland muss nun das Kriegsgerät durch das besetzte Gebiet Melitopol überführen. Diese Region wird daher wichtiger, eine Neugruppierung der bereits ausgedünnten Truppen wird womöglich notwendig. Obendrein befindet sich das Gebiet Melitopol in Reichweite der ukrainischen Artillerie. Dort haben die Ukrainer die US-Raketenwerfer HIMARS schon mehrmals und erfolgreich eingesetzt.
Die Krim-Brücke ist das erste, grosse Bauwerk, das die ab 2007 neu ausgerichtete Aussenpolitik Russlands veranschaulicht. Die widerrechtliche Annexion hatte die Krim um 70 Jahre zurückversetzt: Damals gehörte sie schon zu Russland, aber sie war – wie sie auch heute noch ist – über Land nur von der Ukraine aus zu erreichen. Die alten Versorgungsprobleme tauchten 2014 wieder auf. Die Brücke sollte sie wenigstens teilweise beseitigen.
Aus diesem Hintergrund stürzt heute in der Brücke nicht nur eine strategisch wichtige Infrastruktur ab, sondern ein Stützpunkt der aussenpolitischen Ideologie Moskaus. Putin selbst hatte das spektakuläre Bauwerk eingeweiht, indem er durch die ganze Brücke am Steuerrad eines knallroten Lasters stolzierte. Ich erinnere mich noch an den Tag der Eröffnung, am 15. Mai 2018. Die Feierlichkeiten fielen bescheidener als erwartet aus. Der russische Durchschnittsbürger kämpft jeden Tag mit baufälligen Krankenhäusern und schlammigen Strassen: Er musste nun verdauen, dass der russische Staat in der Lage war, in knapp 4 Jahren eine 19 Kilometer lange Strassen- und Eisenbahnbrücke zu zaubern, aus rein politischen Gründen.
Letzte Bemerkung: Wenn der Anschlag durch Raketen verübt wurde, muss Putin zur Kenntnis nehmen, dass seine Luftabwehr noch einmal nichts konnte. Ging es um einen Bombenanschlag, dann ist die vermutlich lange Vorbereitungsphase den russischen Geheimdiensten völlig entgangen.
Dass ein dermassen wichtiges Bauwerk so mangelhaft geschützt wird, stellt den Zusammenhalt des russischen Militär- und Staatsgefüges abermals in Frage, so ernsthaft wie noch nie.